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Einmischung erwünscht! Warum sich die Wirtschaft jetzt in den politischen Diskurs einschalten muss

2. Februar 2024 von Christian Benzing in Real Communication

Es ist ein klassischer Grundsatz der Unternehmenskommunikation, sich bei politischen Aussagen zurückzuhalten. Dieses Prinzip wird derzeit aber durchbrochen: Die Wirtschaft erhebt Ihre Stimme gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Wie kam es dazu und wie ist dies einzuordnen?

Einmischung erwünscht! Warum sich die Wirtschaft jetzt in den politischen Diskurs einschalten muss

Unternehmen sollten sich hüten, politische Aussagen zu kommunizieren! Das ist ein klassischer Grundsatz der Unternehmenskommunikation, der auch von uns in der Kommunikationsberatung immer wieder vertreten wird. Traditionell wird dies vor allem in den USA so gelebt, aber auch in Deutschland galt lange das Motto „Politik ist Privatsache“.

Die Gründe hierfür sind vielfältig. So gilt es grundsätzlich, den demokratischen Betriebsfrieden zu wahren. Politische Äußerungen sind immer auch Meinungsäußerungen. Doch wer entscheidet im Unternehmen, welche politische Meinung vertreten wird? Diese Frage ist selbst in inhabergeführten Unternehmenskonstellationen schwierig, denn sie konterkarieren schnell die Meinungsvielfalt der Belegschaft. Ein Unternehmen macht sich schnell angreifbar, wenn es sich in die politische Debatte einmischt. Zudem hat politische Neutralität auch ganz konkrete wirtschaftliche Vorteile. Bei wechselnden Regierungsmehrheiten möchte man sich auch der Unterstützung der wechselnden Mehrheit sicher sein.

Dieses Prinzip wird derzeit durchbrochen. Durch das Erstarken der AFD in Deutschland, den zunehmenden Extremismus und Fremdenfeindlichkeit in der Gesellschaft mischen sich immer mehr Unternehmen und auch Unternehmensführungen in die aktuelle politische Diskussion ein und folgen den Protesten und Demonstrationen der Zivilgesellschaft auf die Straße.

Bereits im vergangenen Jahr hatte der Unternehmer und Berater Harald Christ in einem Handelsblatt-Interview die Manager deutscher Großunternehmen aufgefordert, mehr Haltung gegen Intoleranz und Rechtsextremismus zu zeigen. Deutschland lebe vom Export, von der weltweiten wirtschaftlichen Verflechtung. „Da können wir nicht zu Hause mit völkischem und nationalem Gedankengut ins wirtschaftliche Mittelalter zurückfallen“, sagte Christ damals. Innovation gelinge viel besser mit Vielfalt. „Unser Geschäftsmodell basiert auf Toleranz und Weltoffenheit. Die AfD kostet uns Wohlstand“, warnte Christ.

Diese Forderungen finden zunehmend Gehör: Nach dem Terroranschlag auf Israel am 7. Oktober 2023 hat sich unter dem Hashtag #niewiederistjetzt eine große Initiative der deutschen Wirtschaft gegründet, die sich zur deutschen Verpflichtung gegen Judenhass bekennt und zur Solidarität mit Israel und den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Deutschland aufruft.

Parallel zu den aktuellen Großdemonstrationen gegen Rechtsextremismus erleben wir erstmals seit vielen Jahren, dass sich auch die Wirtschaft aktiv in die deutsche Innenpolitik einmischt. Die Recherchen des Magazins correctiv über das Potsdamer Geheimtreffen rechtsextremer Politiker haben offensichtlich nicht nur die Bevölkerung wachgerüttelt. Auch deutsche Vorstandsvorsitzende und Wirtschaftsbosse, von Telekom-Chef Tim Höttges über Siemens-CEO Roland Busch und Commerzbank-Chef Manfred Knof bis hin zu Vonovia-Vorstandschef Rolf Buch, erheben derzeit reihenweise ihre Stimme und sprechen sich gegen Hass und Hetze aus - und machen damit auch deutlich, dass sie die Partei AFD nicht für wählbar halten. Sie alle eint die Sorge um den demokratischen Diskurs und den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Die Einmischung in den politischen Diskurs ist auch dringend notwendig. Dieses Jahr ist nicht nur weltweit ein Superwahljahr, in dem mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung zur Wahlurne schreitet, auch in Deutschland stehen mit der Europawahl im Juni und den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg sehr wichtige Wahltermine an. Alle Umfragen zeigen große Stimmenverschiebungen zu den extremen Parteien. Nach einer aktuellen Umfrage in Sachsen-Anhalt (wo der Landtag erst 2026 gewählt wird) würde der Landtag nur noch aus CDU, AfD und BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) bestehen. Alle anderen Parteien würden an der 5%-Hürde scheitern. Eine solche Konstellation würde zu massiven Verwerfungen, einer Lähmung der parlamentarischen Demokratie und damit auch zu großer wirtschaftlicher Instabilität führen. Eine Debatte über den Austritt Deutschlands aus dem Euro, dem EU-Wirtschaftsraum oder der NATO würde der exportorientierten und auf europäische Kooperation ausgerichteten deutschen Wirtschaft schweren Schaden zufügen.

Wir sehen am Erstarken neuer Parteien und auch des BSW, dass die Ränder des demokratischen Spektrums immer stärker werden und die politische Mitte „ausfranst“ - eine Politik der Mitte war aber immer auch der Anker für wirtschaftliche Stabilität und wirtschaftspolitische Kontinuität. Dafür lohnt es sich jetzt einzutreten!

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