Die Fusionsbestrebung von Deutschlands größten Wohnkonzernen hat die Berichterstattung in der Immobilien- und Tagespresse dominiert und wird emotional diskutiert. Denn die Ankündigung fällt mitten in die Zeit einer aufgeladenen politischen Debatte. In ganz Deutschland sprechen Politiker über eine strengere Regulierung des Wohnungsmarktes und in der Bundeshauptstadt fordern Initiativen die Enteignung großer Wohnungsgesellschaften. Im Kern der Diskussion steht die Frage: Ist es moralisch vertretbar, mit Wohnraum Geld zu verdienen?
Vor diesem Hintergrund ist die Ankündigung einer Großfusion ein politisches und gesellschaftliches Minenfeld. Vonovia und Deutsche Wohnen sind sich der Sensibilität im aktuellen gesellschaftlichen Umfeld bewusst. Klar war den Akteuren mit Sicherheit auch, dass die Fusionsankündigung eine umfangreiche mediale Debatte auslösen würde. Ein Grund mehr einen Blick auf die Kommunikationsstrategie beider Unternehmen in diesem schwierigen Umfeld zu werfen. Auffällig waren dabei vor allem drei Punkte:
1. Emotionen vor Fakten
Das Wording von Vonovia-Chef Rolf Buch adressiert unterschiedliche Stakeholder mit Emotionen statt Fakten. Statt reiner „Zahlenspiele“ lauten seine Botschaften: „Neuanfang“, „gesellschaftliche Verantwortung“. Damit zielt der Vorstandschef insbesondere auf die Politik, aber auch die (Berliner) Öffentlichkeit. Auch die Aktionäre kommen nicht zu kurz. Ihnen prophezeit Buch Synergieeffekte und eine stärkere Marktstellung. Insbesondere mit seinen an ein breiteres Publikum gerichteten Botschaften knüpft Buch geschickt an die derzeitige kommunikative Ausrichtung der Vonovia als verantwortungsvolles und nachhaltiges Wohnungsunternehmen an.
2. Guten Willen zeigen
Die Vonovia belässt es nicht nur bei starken Worten. Konkrete Angebote verleihen den Worten zusätzliche Glaubwürdigkeit. Dem Land Berlin will Vonovia 20.000 Wohnungen zum Kauf anbieten. Das entspricht dem Umfang mancher öffentlicher Wohnungsgesellschaften – worauf auch Michael Müller, seines Zeichens regierender Bürgermeister der Bundeshauptstadt hinweist. Mit dem „Zukunfts- und Sozialpakt Wohnen“ unterbreitet die Vonovia weitere Vorschläge, um den Anstieg der Mietpreise in den kommenden Jahren zu begrenzen. Gleichzeitig verweist man auf die Klimaschutzziele und verkündet, dass die Sanierungskosten für eine höhere Energieeffizienz im Wohnungsbestand nicht voll auf die Mieter umlegt werden. Alle Maßnahmen zahlen auch hier auf das Image eines verantwortungsvoll und am Dialog orientierten Unternehmens ein.
3. Einbindung der Politik
Die Einbindung von Berlins regierendem Bürgermeister Michael Müller bei der Pressekonferenz war ein wirkungsvoller Schritt. Der gemeinsame Auftritt signalisiert Dialogbereitschaft und gibt Michael Müller die Gelegenheit, die Transaktion als eine Chance für das Land Berlin und die eigenen politischen Ziele zu präsentieren. Auch nehmen Müllers gemäßigte Wortwahl und sein Fokus auf die positiven Aspekte der Großtransaktion zumindest den Berliner Koalitionsparteien die Möglichkeit für allzu ausfallende Kritik.
Das Resultat: Insbesondere politisch ist es gelungen, die Reaktionen auf die zu erwartenden „Beißreflexe“ zu reduzieren. Eben die sind zwar unangenehm, aber aushaltbar, zumal die Kommunikationsstrategie klar auf die breite Masse der Stakeholder abzielt. Man versucht, in der Öffentlichkeit eine Akzeptanz oder zumindest Gleichgültigkeit gegenüber der Transaktion zu erzeugen. Das scheint derzeit zu gelingen: Wie erwartet wird die Transaktion medial diskutiert, doch auch dieser Sturm geht vorüber und immer wieder mischen sich auch positive Stimmen unter die Berichterstattung. Auch Großdemonstrationen vor der Vonovia-Zentrale sind bislang ausgeblieben.
Heißt es am Ende also: Operation geglückt, Strategie erfolgreich? Zur abschließenden Beurteilung müssen wir das Votum der Deutsche-Wohnen-Aktionäre abwarten. Stimmen sie zu, hat die Vonovia wohl auch sie mit ihren Botschaften erreicht.
Foto: Anne Nygård / Unsplash
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