Es war ein noch gar nicht mal sehr professionell produziertes Video, das Ende April auf Twitter gepostet wurde und für einen Sturm der Begeisterung im Netz sorgte. Vermutlich ein Handyvideo, da nicht besonders gut belichtet. Zu sehen war Robert Habeck, wie er im Vorfeld der Bundestagsdebatte über die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine seine Haltung begründete.
Dieses Video wurde innerhalb weniger Tage über 500.000 mal aufgerufen. Der Vizekanzler wurde gefeiert wie schon lange kein Minister vor ihm – vor allem für seine Art der Kommunikation. Die sei „Goldstandard“ und er „erfinde die politische Kommunikation neu“. Die fast einhellige Forderung lautet gemäß einer Formulierung der taz: „Mehr Habeck wagen“.
Was ist passiert? Robert Habeck redet, wie man spricht. Es wählt einfache Worte, keine Fachbegriffe. Er erzählt Geschichten, so zum Beispiel von Menschen, die er in der Ukraine traf. Er macht deutlich, was diese Menschen und Geschichten in ihm ausgelöst haben und – ganz wichtig – wie sie seine Politik beeinflussen. Mit anderen Worten: er macht Politik begreifbar und für die Menschen nachvollziehbar.
Hinzu kommt noch ein zweites Moment: Entscheidungen, egal ob in Politik oder Wirtschaft, sind immer komplexe Prozesse, die ein vorheriges Abwägen beinhalten. Das stellt Habeck – ganz anders als viele Entscheidungsträger – zur Verfügung. So kommuniziert er nicht einfach nur das Ergebnis, dass er sich für die Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine ausspricht, sondern er beschreibt den durchaus quälenden Prozess, der ihn bei seiner Entscheidung begleitet hat.
Bemerkenswert im Social-Media-Zeitalter: er verkauft seine Position nicht als die allein gültige und selig machende Meinung. Vielmehr zeigt er glaubwürdig darüber hinaus Verständnis für andere. Vielleicht ist es vor allem dieser Punkt, den so viele als ‚neuen Kommunikationsstil‘ von Habeck feiern: anderen Menschen zuzuhören, ihre Meinung zu akzeptieren, um dann in Wertschätzung auch zu einer anderen Position zu gelangen.
Denn einfache Worte, umgangssprachliche Formulierungen, die hat Habeck schon immer benutzt – auch wenn das vor einigen Monaten etwa von der WELT noch als „gefühlsbetonte Vertrauenslehrer-Art“ belächelt wurde.
Robert Habeck lebt seine Politik. Und er lebt für seine Politik. Er ist – der Begriff wurde in jüngster Zeit inflationär verwendet – im besten Sinne authentisch. Es ist eine Authentizität, die zur Person und zum Amt passt.
Wer sollte jetzt „mehr Habeck wagen“? Alle Politiker? Auch Führungskräfte in der Wirtschaft? Meiner Meinung: jeder. Wenn Kommunikation immer authentisch, nachvollziehbar und glaubwürdig geführt wird, dann profitieren davon Bürger, Mitarbeiter, Ehepartner, Freunde und Kinder – die ganze Gesellschaft. Vielleicht gelingt es Ihnen ja auch, „mehr Habeck zu wagen“. Probieren Sie es aus. Das Risiko ist überschaubar.
Fotocredit: BMWK / Dominik Butzmann
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