Von Können, Wollen und Dürfen: Ein Plädoyer für nuancierte Holding Statements
Warum "kein Kommentar" die schlechteste aller Antworten ist und wie bereits kleine Nuancen unnötigen Spekulationen einen Riegel vorschieben können.
Warum "kein Kommentar" die schlechteste aller Antworten ist und wie bereits kleine Nuancen unnötigen Spekulationen einen Riegel vorschieben können.
„Dazu kann ich nichts sagen.“ Das sagt Tobias Henning, General Manager TikTok Operations, gleich zweimal kurz hintereinander im Interview mit der Wirtschaftswoche. Die Formulierung lässt stutzen, da sie Fragen betreffen, die ein hochrangiger Manager im Unternehmen beantworten können sollte. Durch die Wiederholung entsteht der Eindruck, dass er sie nicht beantworten darf – obwohl eigentlich klar ist, dass er sie einfach nicht beantworten will. Die Tücke des kurzen Holding Statements: Je unkonkreter die Formulierung, desto mehr Raum lässt sie für Spekulation.
Oft steckt hinter der Verweigerung einer Antwort ein völlig nachvollziehbarer Grund. Die Frage zum Kaufpreis einer Immobilie darf nicht beantwortet werden, weil es dazu Vertraulichkeitsklauseln im Vertrag gibt. Ein Fonds befindet sich noch in der Vermarktung, so dass die Einschränkungen zur Kommunikation aus den ESMA-Leitlinien beachtet werden müssen. Eine Krise hat gerade erst begonnen, so dass es noch keine seriösen Antworten auf Detailfragen zu etwaigen Auswirkungen gibt. Nach einem Unfall auf der Baustelle laufen die Untersuchungen zum Hergang noch. Man will erst intern die Mitarbeitenden informieren, bevor eine Neuigkeit nach außen dringt.
„Wir sagen einfach: Kein Kommentar.“
Der erste Impuls bei Nachfragen – vor allem deren kritischer Natur – ist oft, so wenig preiszugeben wie möglich. Bloß nichts nach außen dringen lassen: kein Kommentar – Kürze, Würze und so. Die Würze kann aber schnell in völlig unnötiger Spekulation oder im Missverständnis enden. Warum gibt es „keinen Kommentar“ zum eingeleiteten Insolvenzverfahren? Die Information ist doch öffentlich verfügbar. Was soll hier vertuscht werden?
Während die Fachjournalistin den kurzen „kein Kommentar“ zum Kaufpreis einfach einordnen kann, weil sie die Branchenhintergründe kennt, kann er beim für das Lokalblatt tätigen freischaffenden Journalisten im Nebenberuf Fragen auslösen. Manchmal löst das vermeintliche Mauern erst die richtige Recherche aus.
Nuancen für die Nachvollziehbarkeit
Aber was ist nun die Alternative, wenn man nicht wirklich etwas zum Sachverhalt preisgeben will oder darf? Dazu braucht es zum einen Einfühlungsvermögen in die Rezipienten des Statements – und damit ist sowohl der Mittler, also die Presse, wie auch die Leserschaft, inklusive der eigenen Mitarbeitenden mit etwaigem Wissensvorsprung (oder ggf. auch nicht), gemeint. Welche Informationen werden gebraucht, damit verständlich und nachvollziehbar wird, warum dazu gerade nicht mehr gesagt werden kann? Welche Informationen kann man trotz aller Einschränkungen preisgeben? Bei der Frage, wie weit man beim Holding Statement gehen kann, hilft natürlich eine Kommunikation, die sich mit den Branchengepflogenheiten und der -regulatorik auskennt. Prozessuale Inhalte können der Verweis auf noch laufende Verfahren oder ein Hinweis auf vertragliche Vereinbarungen sein.
Zusätzlich ist kreatives Texthandwerk gefragt. Denn ein nuanciertes Holding Statement bedeutet auf keinen Fall, dass ein Unternehmen plötzlich Details herausgibt, die es nicht verraten will oder darf. Es geht vielmehr um eine Einordnung der aktuellen Situation, eine Erklärung, warum gerade nicht mehr dazu gesagt werden kann. Je klarer der Grund für das Stillschweigen wird, desto weniger Missverständnisse entstehen. Nehmen Sie die Menschen mit. Und am besten entsteht am Ende der Eindruck, dass Sie selbst entscheiden können, dass Sie handlungsfähig sind und wollen, wenn Sie denn dürfen.
Foto: Pixabay/ Miguel Á. Padriñán
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